Letzten Sonntag, am elften Juli, kam ich für eine Klassenreise in Florenz an. Am gleichen Tag spielten Italien und England das Finale der Fussball-Europameisterschaften. Die Schönheit dieser antiken Stadt, wo ich für fünf Tage gleiche Wege gelaufen bin wie Leonardo Da Vinci oder Michelangelo, werde ich in einem anderen Artikel beschreiben. Heute geht es nur um Fussball und einen Müllwagen, den ich immer in Erinnerung behalten werde.
Eine leere Stadt
Wir wollten das grosse Spiel draussen anschauen und fanden eine kleine «Trattoria», wo wir mit der Begleitung von Pizzen und «Estathé» gemütlich ein nicht ganz so gemütliches Fussballspiel anschauten. Verlängerung über Verlängerung, Penalty-Schiessen über Penalty-Schiessen, der Nervenkitzel besiegte die Müdigkeit von einer sechs Stunden langen Zugreise.
Aber die Stadt, diese wunderschöne atemberaubende Stadt mit überwältigenden Kathedralen und Kunststücken, war erstaunlicher Weise leer. Von grossen Public-Viewings waren wir entfernt und hörten ausser den empörten Kellnern und dem nicht ganz so grossen Fernseher nichts.
Die Spannung lag in der Luft, und als ich und meine Kollegin einen Schal für den etwas kühlen Abend zu kaufen versuchten, entdeckten wird an jeder Ecke von Restaurants und Cafés kleine Menschenmengen, die das Atmen aufgegeben zu haben schienen.
Federico Chiesa- Ein Spieler aus Florenz
Schon an diesem Abend fiel mir auf, dass kleine Verkaufsstände, die Fussballtrikots verkauften, häufig die Nummer 14 auf der Vorderseite hatten. Im Verlauf der Woche wurde mir klar, dass diese Stadt, wie auch ich, ein grosser Fan des Fussballspielers Federico Chiesa war.
Ein gutaussehender, junger und talentierter Fussballspieler: Chiesa macht es sich leicht, Fans rund um die Welt zu sammeln.
Erst als ich mir selbst ein blaues Trikot des 23-Jährigen kaufte, erzählte der Verkäufer mir ein grosses Geheimnis. Federico Chiesa spielte bis 2020 für AC Florenz! Ich war zu dem Zeitpunkt, als Italien das Finale der EM spielte, in Italien, und das noch in der Stadt des Spielers Federico Chiesa. So viele Zufälle, dass es nicht nur bezaubernd schien, sondern fast schon surreal.

Flaggen aus jeder Ecke
An den Moment des letzten Penaltys kann ich mich nicht ganz erinnern. Auch wenn ich nicht wie meine Kolleginnen Wein getrunken hatte, fühlte ich mich vom Schlafmangel und der neuen überwältigenden Umgebung beschwipst. Doch nach diesem letzten Schuss, nach diesem kurzen Moment, wo Italien zum Europameister wurde, fing eine lange Nacht an. Geschrei, Jubel und Menschenmengen auf allen «Piazza»’s, von denen Florenz mehr als genug hat. Die Menschen, die die Stadt menschenleer gelassen hatten, strömten mit dem letzten Pfiff auf alle Strassen und Plätze. Mit einer kleinen Italien-Flagge in der Hand hüpften wir mit allen Italienerinnen und Italienern der Stadt herum. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und wir Touristen, auf einmal waren wir eins, jubelten «Oleees» und «Uees», und genossen den Abend als Gewinner eines spannenden Spieles. Und ja, ich leistete nichts zu diesem Sieg, ausser in Italien während dem Fussballspiel eine Pizza gegessen zu haben, aber auch ich fühlte den Sieg in diesem Moment genauso stark wie alle anderen um mich herum.
Notti Magiche
Die Mutter einer Kollegin hatte uns vorgewarnt, dass ein ganz bestimmtes Lied bei den Feiern nach dem EM-Sieg laufen würde. Als im Jahr 1990 in Italien die Fussball-Weltmeisterschaften stattfanden, komponierte der Musiker Giorgio Moroder das Lied «Un’estate italiana», auch „notti magiche“ genannt.
An diesem Abend, wie auch im Jahr 2006, als Italien die Weltmeisterschafften in Deutschland gewonnen hatte, spielte das Lied nicht nur im Londoner Wembley-Stadion, sondern auch auf den Strassen von Florenz. Dies war meine erste Reise nach Italien, die mit einem «notte magica» , einer magischen Nacht, begann.
Der Müllwagen
Ich habe wunderschöne Kathedralen gesehen, Museen, Werke von Botticelli und Michelangelo, Sonnenuntergänge an wunderschönen Abenden und köstliche Brioche gegessen am frühen Morgen. Nichts wird mir so in Erinnerung bleiben wie der unbekannte Mann Mitte fünfzig in einem weissen Müllwagen. Als er an diesem Abend in seinem Müllwagen durch den «Via dei Gondi» gefahren war, hupte er in seinem Auto zum Takt von „notti magiche“.

Die Menschenmenge um seinen Wagen herum applaudierte ihn mit einer solchen Leidenschaft, dass er in diesem Moment nicht mehr der Mann aus dem Müllwagen war, sondern der Sieger, der Gewinner, der Held, der Italien zum Sieg geführt hatte. Ich klatschte mit, sah die Zufriedenheit, den Stolz und die Freude in seinem Blick, und wusste an diesem Augenblick, das Wichtigste dieses Landes nebst dem unglaublich guten Essen kennengelernt zu haben: Die Leidenschaft.
3 Antworten zu “Die Europameister: Italien- Florenz Reise Teil 1”
Da hast du eine magische Nacht erlebt, die du im ganzen Leben nicht vergessen wirst! Wir saßen zwar nur auf unserem Balkon in der lombardischen Provinz, aber egal, wo einer war in dieser Nacht. Die Freude war übermächtig und verband Italiener, Zugezogene, wie mich, und Gäste, wie dich! Cari saluti Anke
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Vielen Dank für deinen Kommentar, meine erste Italien Reise begann wirklich magisch. Ich gebe dir völlig Recht, die Freude war sicherlich überall zu spüren! Mit meinem Chiesa-Trikot bin ich schon bereit für die WM nächstes Jahr. Ich wünsche dir noch einen schönen Sommer, liebe Grüsse!
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Perfetto!😎💪 Danke, dir auch weiter einen schönen Sommer! Ciao Anke
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