Lasst sie fliegen- von Ziauddin Yousafzai

Seine Tochter ist bis heute die jüngste Friedensnobelpreisträgerin der Welt. Malalas Vater Ziauddin Yousafzai erzählt in seiner Autobiografie «Lasst sie fliegen» nicht nur seine eigene Lebensgeschichte, sondern die von allen Frauen in seinem Leben, die ihn dazu inspiriert haben, seiner Tochter ein selbstbestimmtes und emanzipiertes Leben zu ermöglichen.

Ziauddin Yousafzais Kindheit

Yousafzai kam am 20. April 1969 im Shangla Distrikt in Pakistan auf die Welt. Seine sunnitisch muslimische Familie ist von paschtunischer Abstammung, einer iranisch-stämmigen Volksgruppe, die hauptsächlich in Afghanistan und Pakistan lebt.

Ziauddins Vater Rohul Amin Yousafzai war Imam der örtlichen Moschee und Theologielehrer an einem Gymnasium. Yousafzai wuchs in einem religiösen Umfeld mit fünf Schwestern und einem Bruder auf.

Schon seit seiner Kindheit leidet Yousafzai unter einer Sprachstörung und stottert besonders dann, wenn er unter vielen Menschen ist. Zu seinem strengen Vater hatte er aufgrund seiner distanzierten Art eine angespannte Beziehung, doch Rohul Amin Yousafzai förderte die Schulbildung seines jüngsten Sohnes stark. Trotz seines Stotterns schrieb sein Vater Ziauddin in Rede- und Debattierwettbewerbe ein. Dass sein Vater ihn nicht aufgibt und ihn dazu bewegt, seine Redeschwäche durch Training in eine Stärke zu umwandeln, zeigt Ziauddin in jungen Jahren, welch wichtige Rolle Erwachsene in der Entwicklung und Bildung eines Kindes spielen.

Yousafzais Mutter starb, als er 16 Jahre alt war. Als Kind und Jugendlicher half er seiner Mutter sowie den anderen Frauen im Dorf, Briefe zu lesen und zu schreiben. Die Tatsache, dass Yousafzais Mutter als junges Mädchen nicht zur Schule gehen durfte, ihn aber stets dazu motivierte, zu lernen und zu studieren, inspirierte ihn dazu, zu einem Bildungsaktivisten zu werden. In «Lasst sie fliegen» schreibt Ziauddin, dass stets seine Mutter die Person gewesen war, die für ihn sorgte und nach ihm schaute, als er bis spät in die Nacht für Prüfungen lernte.

Ziauddin besuchte das Jahanzeb College in Swat (Pakistan) und studierte Englisch. Während seinem Studium leitete er die Pakhtoon Students Federation (PSF), eine Studentenbewegung, die sich für die Gleichberechtigung der Paschtunen in Pakistan einsetzte.

Ziauddin Yousafzais TED-Talk über die Gleichberechtigung der Geschlechter und seiner Rolle als Vater von Malala

Ehe und Familienleben

Yousafzai heiratete Toor Pekai, in die er sich bei einem Besuch ins Nachbarsdorf verliebt hatte. Ihre Ehe ist revolutionär, da Yousafzai entschlossen war, alte Denkweisen zu durchbrechen. Toor Pekais Meinungen werden der patriarchalischen Mentalität in Pakistan zum Trotz von Ziauddin wertgeschätzt und bei Entscheidungen, die die Familie betreffen, gleichberechtigt miteinbezogen. Yousafzai leitete die von ihm gegründete Schule «Khushal Public School», benannt nach seinem zweitjüngsten Sohn Khushal Yousafzai sowie dem paschtunischen Dichter und Kämpfer Khushal Khan Khattak. Die liebe- und respektvolle Beziehung des Ehepaars zeigt sich in seiner Autobiografie immer wieder, da Ziauddin so oft wie er kann den Namen und die Gedanken seiner Ehefrau Toor Pekai mit einbezieht und nebst seiner eigenen auch ihre Geschichte erzählt. Toor Pekai wird aus den Augen ihres Ehemannes als eine stille Revolutionärin beschrieben, die in Malalas Kampf keine öffentliche Rolle einnimmt, jedoch Hinter den Kulissen Malalas grösste Unterstützung ist. Auch schreibt Yousafzai über den Aktivismus von Toor Pekai, die in Mingora im Swat-Tal Familien dazu animierte, ihren Töchtern die Schuldbildung zu ermöglichen. Toor Pekai selbst durfte als junges Mädchen nicht zur Schule gehen, lernte später jedoch als Erwachsene da Lesen und Schreiben sowie die englische Sprache.

Yousafzai schreibt in seiner Autobiografie über die Schwierigkeiten, die mit dem Aufstieg des Taliban in Pakistan seine weibliche Schülerschaft am Schulbesuch hinderten. Auch erzählt er die Geschichten verschiedener Frauen, die ihn im Verlauf seines Lebens mit ihrer Stärke berührt und inspiriert haben.  Geschichten von jungen Mädchen, deren Eltern ihnen den Schulbesuch verweigerten, von jungen Frauen, die in ihren Familien für Selbstbestimmung kämpften, und die Geschichten von Frauen, die Opfer von Ehrenmorden wurden. Ziauddin und Toor Pekai engagierten sich gemeinsam in ihrem Umfeld, Zwangsheirate und Ehrenmorde zu verhindern.

Die Familie Yousafzai, Toor Pekai in der Mitte

Trotz der Berühmtheit seiner Tochter lernen die Leser und Leserinnen die Friedensnobelpreisträgerin Malala aus der liebevollen Perspektive ihres Vaters als gewöhnliches, und dennoch aussergewöhnliches junges Mädchen kennen. Ziauddin schreibt über den normalen Alltag seiner Tochter, über den Streitereien mit ihren Brüdern und über ihren Humor. Nebst den Geschichten über Malala als gewöhnliche Teenagerin, verdeutlicht Yousafzai auch, dass Malalas Lernbegeisterung, Ehrgeiz und Empathie die Gründe ihrer Stärke und besonders inspirierenden Persönlichkeit sind.

Ziauddin als feministischer Vater

«Lasst sie fliegen» kann nebst als Autobiografie eines Aktivisten auch als feministisches Handbuch für Männer und insbesondere für Väter verstanden werden, denn Yousafzai beschreibt alle Prozesse, die er durchlaufen musste, um gesellschaftlich verinnerlichte frauenfeindliche Denkmuster zu durchbrechen. Yousafzais Lebensgeschichte zeigt, welcher kontinuierlicher Einsatz benötigt wird, um jungen Mädchen die Mittel für ein erfüllendes, selbstbestimmtes und emanzipiertes Leben zu ermöglichen. Von der Erziehung seiner Kinder bis zu seinem gefährlichen Kampf gegen die Taliban für die Bildung seiner Tochter. Von Malalas Namen, inspiriert von einer paschtunischen Kämpferin, bis zu seiner bedingungslosen Liebe für seine ganze Familie: Ziauddin Yousafzai ist ein Vorbild und ein Schimmer der Hoffnung für all diejenigen, die an der Zukunft der Gleichberechtigung der Geschlechter zweifeln. Für die Flügel seiner Tochter gab Ziauddin die Wurzeln von allem auf, was Malalas Flugfähigkeit hätte verhindern können.

Ziauddin Yousafzai ist heute Bildungsaktivist und setzt sich für das Recht auf Bildung für alle Mädchen ein. Seit der Machtübernahme des Taliban in Afghanistan 2021 engagiert er sich für die Bildungsrechte von jungen afghanischen Mädchen und teilt im Rahmen der #LetAfghanGirlsLearn Kampagne jeden Tag auf Twitter mit, seit wie vielen Tagen afghanischen Mädchen der Schulbesuch verboten wird.

Ein Tweet von Yousafzai auf Deutsch: „Tag 222 des von den Taliban verhängten Verbots der Sekundarschulbildung für Mädchen.
Die Welt darf die Millionen heranwachsender afghanischer Mädchen nicht vergessen, die seit dem Fall Kabuls aus ihren Klassenzimmern verbannt sind. Ihr einziges „Verbrechen“ ist, dass sie Mädchen sind.
Lasst uns unsere Stimmen erheben!“

Das Buch „Lasst sie fliegen“ kannst du hier kaufen:

Orell Füssli: https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/A1052617432

ExLibris:

https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/ziauddin-yousafzai/lasst-sie-fliegen/id/9783446262621?gclid=CjwKCAjw9qiTBhBbEiwAp-GE0ZVB8rvB8kJj60JRAK-_XSkviDznCRoTDCDSneoLs2u0tko5dhr8QhoCU8oQAvD_BwE&gclsrc=aw.ds

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