Seit September 2022 habe ich mehrmals versucht, Artikel über die Revolution im Iran zu schreiben. Über die Geschichte von Jina Amini, über die Proteste, die internationale Reaktion auf die Revolution, über die Hinrichtungen und über Aktivist*innen, die an vorderster Front für Frauen, Leben, Freiheit kämpfen.
Aber die Schnelligkeit der Welt hat mich einmal mehr überwältigt. Keiner der Artikel konnte ich zu Ende schreiben, wollte immer auf die neusten Ereignisse ausweichen, doch fand oft nicht die richtigen Worte, um die Gewalt des iranischen Regimes zu beschreiben.
In den Momenten, in denen ich keine Worte fand, gab es glücklicherweise unzählige Aktivistinnen, die unermüdlich jeden Tag über die Geschehnisse im Iran berichteten. Das Engagement jeder dieser Menschen schenkte mir Hoffnung dafür, dass diese Revolution nicht vergessen gehen wird, sondern ihre Kraft in ihrem universellen Ziel der Freiheit immer wieder aufs Neue entfalten wird.
Diese 5 Aktivistinnen berichten seit dem 16. September 2022 über die Proteste im Iran gegen die autoritäre Regierung des Staates, gegen die Polizeigewalt, gegen soziale Ungleichheit, für Gleichberechtigung und für Jin, Jiyan, Azadî.
Natalie Amiri
Die iranisch-deutsche Journalistin Natalie Amiri berichtet täglich über die neusten Ereignisse, Hinrichtungen oder auch Ressourcenknappheiten im Iran. Auf ihren Social-Media-Kanälen ruft sie nicht nur die Politik zur Verantwortung, sondern teilt die Geschichten von zahllosen Iraner*innen, die seit September 2022 für ihr unabdingbares Recht auf Freiheit einen viel zu hohen Preis bezahlt haben. Bei der Sendung Maischberger auf ARD berichtet sie am 18.01.2023, wie in den Gefängnissen, besonders im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran, Folter und Vergewaltigung als Mittel gegen die verhafteten Protestierende eingesetzt wird. Amiri betont, dass bei den Protestaktionen nicht mehr um Verhandlungen geht, sondern das Hauptziel der Sturz des Regimes ist.
Düzen Tekkal
Politikwissenschaftlerin, Journalistin, Aktivistin: Düzen Tekkal trägt viele Titel, doch setzt sich immer für ein bestimmtes Ziel ein, und zwar für Menschenrechte. Tekkal ist kurdisch-jesidischer Abstammung und die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Háwar.help., welche sie gemeinsam mit ihrer Schwester und ehemaligen Profifussballspielerin Tuğba Tekkal gegründet hat. Nebst den Projekten der Organisation, welche in Deutschland, Irak und Afghanistan Entwicklung- und Bildungsprogramme umsetzt, ist Háwar.help. massgeblich für die Organisation von Kampagnen und Demonstration zur Unterstützung der iranischen Revolution in Deutschland mitverantwortlich. Am 13.12.2022 leuchtete das Brandenburger Tor in Berlin dank dem Einsatz der Organistion mit der dem Schriftzug Jin – Jiyan – Azadî” (Kurdisch) sowie Zan – Zendegi – Azadi” (Persisch) (Dt.: “Frau – Leben – Freiheit”.
Háwar.help’s Aktion am Brandenburger Tor:

Nebst ihrer wertvollen Arbeit ist Düzen Tekkal auch auf Sozialen Medien sehr aktiv. Auf Instagram macht sie täglich auf die neusten Entwicklungen aufmerksam, berichtet von der Arbeit ihrer Organisation für die feministische Revolution im Iran und macht auf weitere Aktivist*innen aufmerksam.
Enissa Amani
Die in Teheran geborene iranisch-deutsche Künstlern sowie Aktivistin Enissa Amani setzt sich mit ihrer Reichweite für den Freiheitskampf der Menschen im Iran ein. Als Tochter politisch verfolgter Eltern, mit denen sie 1985 nach Deutschland geflüchtet ist, weiss sie aus nächster Nähe, wie erbarmungslos das Regime der Diktatoren sein kann, aber auch, wie unerschütterlich die Hoffnung auf Freiheit bleibt. Den Menschen im Iran Hoffnung zu schenken ist ihr ein grosses Anliegen, und dafür setzt sie ihre gesamte Kraft ein. Sei es auf Instagram mit ihren 1.2 Millionen Followern oder vor dem Bundestag mit ihrer Rede im Rahmen einer Protestaktion: Enissa Amani erinnert uns daran, wie es bei der internationalen Solidarität mit dem Iran um das existenzielle Anliegen von Menschenleben geht. Amanis Gerechtigkeitsempfinden zeigt sich in jedem ihrer Beiträge. Die Aktivistin redet über die Kurden im Iran, nennt Mahsa Amini bei ihrem kurdischen Namen Jina, beglückwünscht die Êzîdî an ihrem heiligsten Feiertag und vergisst nicht, die Unterdrückung der Frauen in Afghanistan zu thematisieren. Enissa Amani zeigt mit ihrer reinen Menschlichkeit, dass Intersektionalität für eine Freiheitsrevolution grundlegend ist.
Azam Jangravi
Die Menschenrechtsaktivistin Azam Jangravi erhielt im Oktober 2022 den Instagram-Account des Fernsehmoderators Joko Winterscheidt. Heute zeigt sie 1.3 Millionen Followern täglich, wie Menschen im Iran versuchen, sich von der diktatorischen Regierung zu befreien. Jangravi machte in einem Interview mit Therese Moosmann für ze.tt darauf aufmerksam, dass die sozialen Medien ein wichtiges Mittel gegen die Regierungspropaganda sind. Jangravi war Teil der Bewegung Girls of Enghelab Street im Jahre 2017 und zog ihr Kopftuch öffentlich im Rahmen einer Protestaktion gegen die Hidschab-Pflicht ab, woraufhin sie festgenommen und zu drei Jahre Haft verurteilt wurde. Die Frauenrechtsaktivistin lebt seit 2018 mit ihrer Tochter in Kanada.
Gilda Sahebi
Gilda Sahebi ist eine iranisch-deutsche Ärztin und Journalistin. In ihrem Podcast mit Sahar Eslah namens Das IRAN Update ermöglicht sie einen wöchentlichen Rückblick auf alle Entwicklungen und Geschehnisse rund um die Revolution im Iran. Die Journalistin wurde vom Focus Magazin zu einer der 100 Frauen des Jahres 2022 ernannt. Sahebi ist auch auf Twitter aktiv und teilt täglich die wichtigsten Beiträge zum Thema, die Arbeit von weiteren Aktivist*innen und aktuellste Meldungen zu den Opfern und Verurteilten der Protestaktionen. Am 8. März wird ihr Buch »Unser Schwert ist Liebe«: Die feministische Revolte im Iran, in der sie von der Geschichte der Unterdrückung im Iran bis zur Bedeutung von Musik und Rap verschiedenste Aspekte der Revolution beleuchtet. Die Protestbewegung beschreibt Sahebi wie folgt: «Was im Iran geschieht, ist feministische Weltgeschichte.».
https://www.instagram.com/gilda_sahebi/
Weiteres zum Thema:
https://www1.wdr.de/nachrichten/impuls-iran-enissa-amani-100.html
https://www.zeit.de/zett/2022-10/zan-jangravi-iran-aktivistin-joko-winterscheidt-instagram